Dienstag, 17. August 2010

Nichts ist so teuer wie die Krankenhäuser

Tagtäglich liest man in den Medien, wie ein öffentliches (kommunales) Krankenhaus nach dem anderen in wirtschaftliche Probleme gerät. Das drängt den Eindruck auf, dass die „öffentliche Hand“ auf diesem Sektor besonders ineffizient agiert. Nicht umsonst ist es zu einer Ausweitung des Anteils der privatunternehmerisch geführten Krankenhäuser gekommen, von denen man dies weniger vernimmt. Einzelne Unternehmen sind zudem erfolgreich an der Börse aufgestellt. Die Lobby der staatlichen Kliniken nimmt gern die höhere Moral für sich in Anspruch, da sie Gemeinwohl-orientiert seien und den gegebenen Versorgungsauftrag besonders ernst nehmen. Den Privaten wird hingegen Rosinen-Pickerei und unethische „Shareholder-Value“ – Orientierung unterstellt.
Vielleicht liegt die Ineffizienz auch von ausgewiesenen Fach-Managern geführten Kliniken in dem begründet, was schon Ludwig Mises beschrieben hat:
„Es wäre vergeblich, die Bürokratie dadurch zu reformieren, daß Geschäftsleute zu Leitern der verschiedenen Abteilungen ernannt würden. Die Unternehmer-Eigenschaft haftet der Persönlichkeit des Unternehmers nicht an; sie ist ihm eigen in der Stellung, die er in der Marktgesellschaft einnimmt. Ein früherer Unternehmer, der jetzt ein Staatsamt bekleidet, ist in dieser Eigenschaft kein Unternehmer mehr, sondern ein Bürokrat. Sein Ziel kann nicht länger der Gewinn sein, sondern Willfährigkeit gegenüber den Regeln und Vorschriften. Als Leiter eines Amtes mag er die Macht haben, einige unwichtigere Regeln und einige Belange der internen Arbeitsweise zu verändern. Doch der Rahmen seiner Amtshandlungen wird von Regeln und Vorschriften bestimmt, die außerhalb seines Einflußbereiches liegen.“ („Die Crux bürokratischen Wirtschaftens“ in „Bürokratie“)

Von außerhalb des Einflussbereiches kommen die manchmal fatalen Einmischungen und Vorgaben der Politik, die ja glaubt, alles am besten zu können und zu beherrschen.

Der Krankenhausbereich ist also der kostenträchtigste, aber auch ineffizienteste Bereich des Gesundheitswesens.

Die Frankfurter Rundschau gehört nicht gerade zu meiner Standard-Lektüre, das nachfolgend Zitierte kann aber uneingeschränkt weitergegeben werden:
„Nichts ist so teuer im deutschen Gesundheitssystem wie die Krankenhäuser. Mehr als 50 Milliarden Euro geben die Krankenkassen dafür jährlich aus, hinzu kommen noch einmal fast drei Milliarden Euro von den Bundesländern. Umso bedenklicher ist es, wenn die vorgehaltene Infrastruktur nicht ausgelastet wird. Doch genau so ist es: 22,5 Prozent der 503000 deutschen Krankenhausbetten standen im vergangenen Jahr leer, teilte gestern das Statistische Bundesamt mit. Damit wird jedes vierte Bett nicht genutzt.
Der hohe Leerstand liegt auf dem Niveau der vergangenen Jahre. Und das, obwohl die Zahl der stationär behandelten Patienten um 1,6 Prozent auf 17,8 Millionen gestiegen ist. Grund dafür ist, dass die durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus seit 1990 rückläufig ist. Dauerte ein Krankenhausaufenthalt damals im Durchschnitt noch 14,7 Tage, bleiben Patienten jetzt nur noch acht Tage. Damit werden die Betten schneller wieder frei. Und stehen dann leer. Den Krankenhäusern fehlen schlichtweg die Patienten.
Trotzdem ändert sich auch unter starkem finanziellen Druck kaum etwas am Angebot der Kliniken. So wurde zum Beispiel im Jahr 2003 in jedem Bundesland die Umstellung auf einheitliche Preise für Krankenhausleistungen begonnen. Der Prozess hat vielen Krankenhäusern laut Deutscher Krankenhausgesellschaft empfindliche finanzielle Einbußen beschert. Trotzdem hielten sie an medizinischen Leistungen fest, die sich für sie nicht rentierten. In anderen Wirtschaftsbereichen würden solche Anbieter aus dem Markt ausscheiden. Im Gesundheitswesen werden defizitäre Kliniken immer wieder von der Politik gerettet – weil es dem Wähler schlecht verkauft werden kann, wenn Abteilungen schließen.
So gehört zum Beispiel der Gelenkersatz bei Hüftarthrose zum Standardrepertoire fast aller Krankenhäuser in Deutschland. In den Städten des Ruhrgebiets finden sich innerhalb von zehn Minuten Fahrzeit immer mindestens drei bis sechs Kliniken, die diese Leistung anbieten. Manche Häuser führen pro Jahr weniger als ein Dutzend dieser Operationen durch, halten dafür aber den gesamten medizinischen Apparat vor. Bundesweit haben 2006 nur 16 Kliniken mehr als 600 dieser Operationen durchgeführt.
Mehr Wettbewerb gewünscht
Den Krankenkassen ist dies schon lange ein Dorn im Auge. „Auf lange Sicht wünschen wir uns ein Modell, bei dem die Krankenkassen die planbaren Leistungen der Krankenhäuser mitbestimmen, indem sie nur mit qualitativ geeigneten und bedarfsgerechten Krankenhäusern bilaterale Vereinbarungen treffen“, sagt der stellvertretende Barmer-GEK-Chef Rolf-Ulrich Schlenker. Das ist aus zwei Gründen sinnvoll: Zum einen besteht laut verschiedenen Studien eine positive Korrelation zwischen der Zahl der behandelten Fälle und der Qualität, zum anderen könnten günstigere Preise erzielt werden. „Wir brauchen definitiv mehr Wettbewerb in unserem Gesundheitssystem, auch in Krankenhäusern“, sagt auch eine Sprecherin des Krankenkassen-Spitzenverbandes. Für die Versicherten würde das bei planbaren Eingriffen eine längere Anreise bis zur entsprechenden Klinik bedeuten.
Die Krankenhäuser lehnen das ab. Die Krankenhausplanung sei Aufgabe des Staates, argumentieren sie. Stattdessen versuchen sie seit Jahren ihr Leistungsspektrum auszuweiten, um mehr Patienten anzulocken. An der Auslastung macht sich dies bislang nicht bemerkbar. Es wäre also richtig, die teure Infrastruktur zu reduzieren, auch wenn eine hohe Bettenauslastung von 95 Prozent oder mehr nie erreicht wird. Das wäre auch nicht wünschenswert. Die Häuser müssen schließlich groß genug sein, um die Bevölkerung auch bei Pandemien oder Katastrophen versorgen zu können.“


Wenn Betten stillgelegt werden, verliert ein Haus an „Produktionsmitteln“, Personal muss entlassen werden, die Gewerkschaften wehren sich, das Selbstwertgefühl der Klinikdirektoren erleidet einen Knacks, ebenso wie das der Lokalpolitiker. Die Anzahl der behegten Klinikbetten wird immer noch als Prestige-Maßstab genommen.
Also lässt man sich etwas einfallen, die Betten zu füllen mittels neuer Angebote bzw. Mengen-Ausweitung des vorhandenen Angebots – siehe Gelenkersatz.

Im benachbarten Kreiskrankenhaus war prospektiv gesehen nach der „DRG-Reform“ möglicherweise fast die Hälfte der vorhandenen Betten nicht mehr zu belegen. Da zog man niedergelassene Fachärzte (Urologen, Neurochirurgen) als Belegärzte ans Haus und gründete damit neue „Abteilungen“, die der Bevölkerung als Leistungs- und Versorgungsverbesserung verkauft wurden.
Noch vor fünf Jahren gab es in dem Ort keinen einzigen Neurochirurgen. Man musste wegen einer Bandscheibenoperation sich seinerzeit an die nächstgelegene Klinik der Maximalversorgung wenden oder begab sich in ein sog. „Spine-Center“ oder eine „Neurochirurgische Tagesklinik“, deren Ärzte das Prinzip der „Angebotsinduzierten Nachfrage“ schon vorher verinnerlicht hatten. Heute praktizieren 6 (!) Neurochirurgen an dem Krankenhaus. Es ist aber nicht so, dass dadurch in den benachbarten Orten oder Regionen die Zahl an neurochirurgischen Eingriffen herunter ging.
Hinsichtlich der Bandscheibeneingriffe behaupten ernsthafte medizinisch Wissenschaftler, dass 80% (!) dieser Eingriffe unnötig sind.

Das kommunale Krankenhaus macht sich damit das zu Nutze, was von Seiten der Krankenkassen den Ärzten gerne vorgeworfen wird, die „Angebotsinduzierte Nachfrage“.
Die Neurochirurgen, Orthopäden, Herzkatheter-Spezialisten (Kardiologen) und inzwischen auch die Psychiater, sind hier aktuell die Könner im Metier.*

Dennoch kommen diese Krankenhäuser nicht aus den roten Zahlen und bleiben weiter unwirtschaftlich (und unterbelegt). Das „Krankenhaus-Sterben“ wird und muss weitergehen.

Die „HSK-Kliniken“ in Wiesbaden z.B., ein großes kommunales Krankenhaus der Maximalversorgung, das „Stadtkrankenhaus“ der hessischen Landeshauptstadt, hat derartig „erfolgreich“ die Angebotsausweitung betrieben, dass dieses Jahr wiederum 30 Millionen Euro aus dem Steuersäckel zugeschossen werden müssen. Man möchte nicht „privatisiert“ werden und sucht jetzt das Heil in einer Kooperation (Vernetzung) mit dem ebenfalls defizitären Klinikum Offenbach und mglw. noch anderen.

Was passiert mit einer Familie, die aus Impotenten besteht? Sie stirbt aus.

Die „Geschichte“ wird fortgesetzt.

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*Die „Volksgesundheit“ wird durch diese Ärztegruppen nicht gerade gefördert, man produziert eher noch eine steigende Anzahl von Invaliden, die dann auf einem anderen Sektor den Sozialkassen zur Last fallen. Wer an der Bandscheibe operiert ist, glaubt oft, dass er ein normales (berufliches) Leben nicht mehr führen kann. Genauso wie ein Mensch, dem durch die Psychiatrie nach einem mehr oder minder banalen Arbeitsunfall eine „Posttraumatische Belastungsstörung“ angeheftet wird. Mit einer zunächst banalen Kniegelenksspiegelung kann gut der Keim für das „notwendige“ künstliche Kniegelenk gepflanzt werden.
Das sind provozierende Aussagen, sind aber empirisch zu belegen.

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